Die Swiss Climate Action Initiative (SCAI) wurde 2022 von Unternehmen verschiedener Branchen und Grössen mit dem gemeinsamen Ziel ins Leben gerufen, durch Dialog und Synergien wirksam den CO2-Fussabdruck zu reduzieren und über konkrete Massnahmen und erzielte Fortschritte zu orientieren. Die Unternehmen unterstützen sich gegenseitig, teilen Wissen und Erfahrungen und arbeiten an gemeinsamen Projekten: neben dieser Orientierungshilfe für KMU wird aktuell ein CO2-Reduktions-Cockpit entwickelt sowie ein Vorschlag erarbeitet, wie Lieferanten effizient in die Massnahmen zur CO2-Reduktion eingebunden werden können.
Durch transparente Kommunikation des Erreichten, will SCAI möglichst viele Unternehmen dazu motivieren, Massnahmen im Rahmen ihrer Möglichkeit umzusetzen und diese weiterzuentwickeln. Die SCAI-Community ist sich der Chancen und Herausforderungen der CO2-Reduktion, insbesondere auch für KMU, bewusst. Daraus entstand das erste gemeinsame Projekt in Form dieser Orientierungshilfe für KMU.
Für Fragen und Ergänzungswünsche zu dieser Orientierungshilfe stehen wir gerne zur Verfügung.
Anne le Duc
T +41 76 204 35 97
M info@swissclimateactioninitiative.ch
1 McKinsey & Company, «Klimastandort Schweiz», https://www.mckinsey.com/ch/our-insights/klimastandort-schweiz, Ausgangslage, letzter Abruf: 01.03.2023, 10:20
2 McKinsey & Company, «Klimastandort Schweiz», https://www.mckinsey.com/ch/~/media/mckinsey/locations/europe%20and%20middle%20east/switzerland/our%20insights/klimastandort%20schweiz/klimastandort-schweiz.pdf, Seite 16, Zeile 12 & 13, letzter Abruf: 09.02.2023, 14:40
3 AXA, «Nur jedes achte KMU kennt seinen CO₂-Ausstoss», https://www.axa.ch/de/ueber-axa/medien/medienmitteilungen/aktuelle-medienmitteilungen/20221117-kmu-studie-nachhaltigkeit.html, letzter Abruf: 09.02.2023, 14:44
Viele Indikatoren belegen, dass sich das Klima weltweit und in der Schweiz verändert. Seit Beginn der Industrialisierung hat sich die Erde stark erwärmt und das Klima entscheidend gewandelt. Global zeigt sich im Verlauf der letzten zehn Jahre eine Erwärmung von +1,1 °C, in der Schweiz sogar +2,5 °C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Durchschnittstemperatur liegt höher als in den letzten 2000 Jahren. Extremwetterereignisse wie Hitzewellen oder Starkniederschläge treten häufiger auf. 4
4 Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie Schweiz, «Klimawandel», https://www.meteoschweiz.admin.ch/klima/klimawandel.html, Letzter Abruf: 09.02.2023, 14:50
5 Bundesamt für Umwelt BAFU, «Das Übereinkommen von Paris», https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klima–internationales/das-uebereinkommen-von-paris.html, letzter Abruf: 09.02.2023, 14:55
Der CO2-Fussabdruck ist für grosse und international tätige Unternehmen bereits heute ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl von Lieferanten und es werden vermehrt entsprechende Ausschlusskriterien definiert.6 Aus diesem Grund ist es für KMU sehr wichtig, sich in ihrer Rolle als Lieferanten zügig auf den Weg in Richtung Netto-Null zu begeben und entsprechende Ziele zu definieren sowie Massnahmen umzusetzen, um ihren CO2-Fussabdruck zu reduzieren.
In Zukunft wird sich diese Entwicklung unter anderem auch wegen staatlicher Regulierung im In- und Ausland noch verstärken: Zum Beispiel mit dem EU Green Deal oder der Corporate-Sustainability-Reporting-Directive CSRD, welche v.a. Grossunternehmen und börsenkotierte Unternehmen betrifft, sich indirekt aber auch auf KMU auswirkt.7 Auch bei öffentlichen Ausschreibungen wird das Kriterium der Nachhaltigkeit immer stärker gewichtet.8
Mitarbeitende und Kunden sind zunehmend umweltbewusster und identifizieren sich stärker mit Unternehmen, die sich konkret für den Klimaschutz einsetzen und einen positiven Beitrag leisten. Angesichts des Arbeitskräftemangels erhöhen Unternehmen mit einer proaktiven Klimastrategie ihre Chancen, auch in Zukunft ein attraktiver Arbeitgeber zu sein.
Nicht zuletzt tun KMU mit einem erhöhten Bewusstsein sowie einem konkreten Beitrag zum Klimaschutz etwas Gutes für die Gesellschaft und für die kommenden Generationen, was sich positiv auf ihre Reputation auswirkt. Dieser Effekt wird umso stärker ausfallen, je proaktiver ein KMU das Thema angeht, anstatt passiv zu warten, bis sich die Politik dem Thema annimmt.
Als Wirtschaft können wir im Hier und Jetzt einen konkreten Beitrag zum Klimaschutz leisten. Starten und verbessern wir uns gemeinsam!
6 Zum Beispiel hat sich Zürich Versicherung folgendes Ziel gesetzt: «75% of our managed procurement spend is to be with suppliers that have science-based emissions reduction targets by 2025 and net zero targets by 2030». (DE: «75 % unserer verwalteten Beschaffungsausgaben sollen von Lieferanten getätigt werden, die wissenschaftlich fundierte Emissionsreduktionsziele bis 2025 und Netto-Null-Ziele bis 2030 haben.») (Quelle: Zürich, Sustainable operations, https://www.zurich.com/sustainability/sustainable-operations, letzter Abruf: 13.02.2023, 1743).
7 European Council, «Council gives final green light to corporate sustainability reporting», directivehttps://www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/11/28/council-gives-final-green-light-to-corporate-sustainability-reporting-directive/, letzter Abruf: 23.02.2023, 16:18
8 Bundesamt für Umwelt BAFU, «Ökologische öffentliche Beschaffung», https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/wirtschaft-konsum/fachinformationen/oekologische-oeffentliche-beschaffung.html, letzter Abruf: 13.02.2023, 18.37; Bundesamt für Bauten und Logistik, «Online Wissensplattform für nachhaltige öffentliche Beschaffung», https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-83049.html, letzter Abruf: 13.02.2023, 18.38; WÖB Wissenschaftsplattform Nachhaltige öffentliche Beschaffung, https://www.woeb.ch/de/, letzter Abruf: 13.02.2023, 18.42; Kompass Nachhaltigkeit, «Nachhaltigkeitskriterien in den Ausschreibungsunterlagen», https://oeffentlichebeschaffung.kompass-nachhaltigkeit.ch/rahmenbedingungen/ausschreibung, letzter Abruf: 09.02.2023, 15:12
Für Unternehmen bedeutet Netto-Null, dass CO2-Emissionen, die aus den Aktivitäten des Unternehmens entstehen, bis 2050 auf ein Minimum reduziert werden und alle noch nicht vermeidbaren Emissionen im selben Umfang mittels natürlicher oder künstlicher Kohlenstoffsenken wieder aus der Atmosphäre entfernt werden sollen.
Wichtig ist, dass alle CO2-Emissionen des Unternehmens berücksichtigt werden. Sie unterteilen sich in 3 Kategorien («Scopes»):
Fig 1: Überblick über die Anwendungsbereiche und Emissionen des Green House Gas (GHG)-Protokolls entlang der Wertschöpfungskette (siehe die Definition von GHG-Protokoll im Glossar).
Zusammengefasst haben Unternehmen neben der eigenen operativen Tätigkeit auch eine gewichtige, positive Einflussmöglichkeit via Zulieferer und Abnehmer. Heute genügt es nicht mehr, nur Massnahmen für die eigenen betrieblichen Emissionen umzusetzen (Scope 1 und 2), sondern diese sollen auch die vorgelagerte und nachgelagerte Wertschöpfungskette umfassen (Scope 3), da dort oftmals die grossen Hebel zur CO2-Reduktion liegen. Nur gemeinsam kann die Netto-Null-Wirtschaft verwirklicht werden.
Für KMU bedeutet das, ihre Emissionen im eigenen Betrieb als auch in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette zu messen und Reduktionsmassnahmen zu bestimmen. Im Betrieb (Scope 1 und 2) sollen messbare Ziele im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen gesetzt und die Fortschritte regelmässig ausgewiesen werden. In der Wertschöpfungskette (Scope 3) hingegen kann in einem ersten Schritt auch ein pragmatischer Ansatz gewählt werden, um die relevanten Hotspots bestimmen zu können (z.B. Umsetzung von Quick Wins, Fokus auf wichtigste Lieferanten). Es wird jedoch in weiteren Schritten unumgänglich werden, die Scope 3 Emissionen des eigenen Unternehmens systematisch zu verstehen und darin Optimierungsmassnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen vorzunehmen, da im Scope 3 die grossen Emissions-Hotspots zu finden sind.
Allgemeine Hebel bei Scope 1 und Scope 2 sind zum Beispiel der Einkauf von erneuerbarem Strom und Energie (z.B. Solarstrom), fossilfreies Heizen (z.B. Fernwärme) oder auch die Umstellung der eigenen Fahrzeugflotte auf alternative Antriebe (z.B. Elektrofahrzeuge). Im Scope 3 sind die Massnahmen aufgrund der verschiedenen Geschäftsfelder deutlich diverser. Anstrengungen zur Reduktion der Scope 3 Emissionen umfassen Effizienzmassnahmen: zum Beispiel durch die Optimierung des Einkaufs oder des Rohstoffbedarfs, eine nachhaltigere Lieferantenauswahl (Lieferanten-Engagement) oder auch durch den Wechsel auf fossilfreie Antriebsstoffe im Warentransport und Geschäftsverkehr. Man sollte beispielsweise nachhaltige, beziehungsweise zertifizierte, Rohstoffe einkaufen, die nicht zur Abholzung des Regenwaldes führen. Für einen Betrieb in der Gastronomie ist eine sinnvolle Massnahme, weniger Fleisch im Menüplan anzubieten und insgesamt auf CO2-ärmere, lokale Zutaten umzustellen.
Als Sofortmassnahme für wirksamen Klimaschutz können Unternehmen zusätzlich zum Netto-Null-Ziel wirksame Klimaschutzprojekte in Höhe der eigenen bilanzierten Emissionen finanzieren.
Für eine erfolgreiche Umsetzung einer Klimastrategie müssen alle im Unternehmen an einem Strick ziehen. Dabei gibt es bestimmte Voraussetzungen, damit die Energie und die Ressourcen effizient und zielorientiert eingesetzt werden.
Feststellen, wo das Unternehmen in Bezug auf die Treibhausgas-Emissionen steht.
Treibhausgas-Emissionen des Unternehmens in den unterschiedlichen Scopes gemäss dem GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol) ermitteln. Dabei werden die unterschiedlichen Treibhausgase in Bezug auf ihr Global Warming Potenzial (GWP) in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet. Die Scopes stellen eine Art Checkliste dar, um alle Emissionen zu berücksichtigen:
Scope 1
definiert alle direkten Emissionen (z. B. durch den Fuhrpark)
Scope 2
umfasst indirekte Emissionen durch zugekaufte Energie (z. B. den Stromverbrauch)
Scope 3
Die CO2-Bilanz hilft dem Unternehmen, die Treibhausgas-Emissionen zu messen, zu verstehen und zu steuern.
Für einen ersten Eindruck der CO2e-Emissionen des Unternehmens kann ein (frei zugängliches) Online-Tool eingesetzt werden. Das Tool fragt nach allen relevanten Kenngrössen und rechnet sie in CO2e um. Zum Beispiel wird beim Fuhrpark die Anzahl gefahrener Kilometer abgefragt und automatisch in CO2e umgerechnet.
(auch Kohlenstoffdioxid-Äquivalent oder CO2e genannt): ein metrisches Mass, das verwendet wird, um die Emissionen verschiedener Treibhausgase auf der Grundlage ihres Global Warming Potential (GWP) zu vergleichen. Dazu werden die Mengen anderer Gase in die äquivalente Menge von CO2 umgerechnet.9
Gibt an, welche Menge von Treibhausgasen durch eine Aktivität, einen Prozess oder eine Handlung freigesetzt wird. Ein CO2-Fussabdruck lässt sich beispielsweise für Geschäfts- oder Produktionsprozesse von Unternehmen angeben.10
motiviert Lieferanten dazu, eigene Klimaschutzziele und entsprechende Massnahmen zu definieren und umsetzen, um bis spätestens 2050 Netto-Null zu sein.
Netto-Null-Emissionen von Kohlendioxid (CO2) werden erreicht, wenn anthropogene CO2-Emissionen global durch anthropogene CO2-Entnahmen über einen bestimmten Zeitraum ausgeglichen werden.14
Jeder Prozess, jede Aktivität oder jeder Mechanismus, der oder die ein Treibhausgas, einen Vorläufer eines Treibhausgases oder ein Aerosol aus der Atmosphäre entfernt. Man unterscheidet zwischen natürlichen und künstlichen Kohlenstoffsenken (auch technische Senken genannt). Natürliche Senke: umfassen Kohlenstoffeinbindungen aus Landnutzung, Landnutzungsänderungen und Wald (Land use, land use change and forestry – LULUCF). In diesen natürlichen Senken wird CO2 gespeichert, wie z.B. in Bäumen im Wald oder in Moorböden.16 Künstliche Senken sind die nicht natürlichen Senken und umfassen u.a. Carbone Capture Utilization and Storage CCS CCUS, wo CO2 direkt aus der Atmosphäre entfernt wird und anschliessend langfristig gespeichert.17
9 Eurostat, «Glossary: Carbon dioxide equivalent», https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Glossary:Carbon_dioxide_equivalent, letzter Abruf: 13.02.2023, 12:32
10 First Climate, «Was ist ein CO2-Fussabdruck?», https://www.firstclimate.com/was-ist-ein-CO₂-fussabdruck, letzter Abruf: 13.02.2023, 16:32
11 Climate Partner, «Was sind Scope1-, Scope 2- und Scope 3- Emissionen?», https://www.climatepartner.com/de/climate-action-insights/scope-emissionen-reduzieren?utm_source=google&utm_campaign=17886590300&utm_medium=cpc&utm_content=613567951329&utm_term=&gclid=EAIaIQobChMI2siatcSI_QIVVQCLCh2j4gOFEAAYASAAEgJAd_D_BwE letzter Abruf: 09.02.2023, 11:27
12 Climate Partner, «Was sind Scope1-, Scope 2- und Scope 3- Emissionen?», https://www.climatepartner.com/de/climate-action-insights/scope-emissionen-reduzieren?utm_source=google&utm_campaign=17886590300&utm_medium=cpc&utm_content=613567951329&utm_term=&gclid=EAIaIQobChMI2siatcSI_QIVVQCLCh2j4gOFEAAYASAAEgJAd_D_BwE letzter Abruf: 09.02.2023, 11:27
13 Bundesamt für Statistik, «Kleine und mittlere Unternehmen», https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/industrie-dienstleistungen/unternehmen-beschaeftigte/wirtschaftsstruktur-unternehmen/kmu.html letzter Abruf: 13.02.2023, 17:51
14 IPPC, «Net zero CO2 emissions»?», https://www.swissclimate.ch/netto-null, letzter Abruf: 02.03.2023, 10:00
15 Bundesamt für Umwelt BAFU, «Das Übereinkommen von Paris», https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/themen/klima/fachinformationen/klima–internationales/das-uebereinkommen-von-paris.html, letzter Abruf: 09.02.2023, 10:43
16 Stiftung Klimaneutralität, «CO2-Senken», https://www.stiftung-klima.de/de/themen/CO₂-senken/, letzter Abruf: 17.02.2023 17.06
17 Deutsche Energie-Agentur, «Technische CO2-Senken», https://www.dena.de/fileadmin/dena/Publikationen/PDFs/2021/211005_DLS_Gutachten_Prognos_final.pdf, letzter Abruf: 17.02.2023 17.13